Auslöse- und Grenzwert in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutz-Verordnung: Das können Sie tun!
Unternehmen, die ihre Beschäftigten wirkungsvoll vor dem Hand-Arm-Vibrationssyndrom (HAVS) schützen, senken den Krankenstand und steigern ihre Produktivität. Wer in Betrieben für die Instandhaltung von Werkzeugen und/oder für Sicherheit und Gesundheit verantwortlich ist, sollte wissen, wie es zu HAVS kommen kann und wie man die Risiken in den Griff bekommt.
Instandhaltungsarbeiten an Rohrleitungen von Raffinerien, die Montage großer Rohrsegmente in der Öl- und Gasindustrie oder die Metallbearbeitung im Maschinenbau haben eines gemeinsam: Sie sind Knochenarbeit für die ausführenden Mitarbeiter – mit großen Belastungen für Hände, Arme und die Rückenmuskulatur.
Sind Sie mit Ihrem Unternehmen in diesen Branchen tätig, sollten Sie sich die folgenden Fragen stellen:
- Arbeiten Ihre Mitarbeiter täglich vergleichsweise lange mit vibrierenden Handwerkzeugen, wie Schleifgeräten oder Schlagschraubern? (Was „lange“ in diesem Zusammenhang bedeutet, erklären wir weiter unten und fassen es in der Tabelle zusammen.)
- Sind in Ihrem Unternehmen Fälle von Beschäftigten bekannt, die nach der Benutzung von Handwerkzeugen schon einmal über Taubheit oder weißgewordene Finger geklagt haben oder deren Hände nach Temperaturänderungen zu schmerzen beginnen?
Wenn das der Fall ist – oder Sie es nicht sicher ausschließen können –, dann könnten Teile Ihrer Belegschaft in Gefahr sein, ein Hand-Arm-Vibrationssyndrom (HAVS) zu entwickeln oder es schon entwickelt haben. Sie sollten in jedem Falle Maßnahmen ergreifen, bevor es zu spät ist.
So stellen Sie fest, ob eine Anwendung gefährlich ist
Zwei Faktoren spielen eine Rolle dabei, ob Beschäftigte bei der Arbeit mit angetriebenen Werkzeugen gefährdet sind: wie stark das Werkzeug vibriert und wie lange damit gearbeitet wird.
- Der Vibrationspegel eines Handwerkzeugs wird in der Regel vom Hersteller im Handbuch des Werkzeugs als Beschleunigungswert (in m/s²) angegeben. Er entspricht der Stärke der im Einsatz auftretenden Schwingungen und muss anhand der ISO 28927 berechnet werden. Diese Richtlinie beschreibt Messverfahren zur Ermittlung der Schwingungsemission an handgehaltenen motorbetriebenen Maschinen – im Teil 1 etwa für Winkelschleifer und Vertikalschleifer. Um zu berechnen, wie lange die Hand den potenziell gefährlichen Schwingungen ausgesetzt ist, wird die Vibrationszeit pro Arbeitszyklus oder Stunde multipliziert mit der Anzahl der Zyklen oder Arbeitsstunden, die das Werkzeug pro Tag benutzt wird.
- Die wichtigste Norm, in der festgelegt ist, wie lange jemand ein Werkzeug sicher bedienen kann, ist die EU-Richtlinie 2002/44/EC, die in Deutschland in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung umgesetzt wurde. Sie gilt weltweit als wichtigste Referenz zum Thema HAVS. Selbst die US-Armee bezieht sich in ihrem Leitfaden zu Vibrationen auf diese Richtlinie. Darin wird im Wesentlichen festgelegt, was ein Arbeitgeber tun muss, um die Vibrationsbelastungen, denen seine Angestellten ausgesetzt sind, zu kontrollieren. Vorgegeben sind (1) der sogenannte tägliche Auslösewert sowie (2) ein Grenzwert für die maximale Belastung durch Hand-Arm-Vibrationen. Beide Werte sind auf einen 8-Stunden-Arbeitstag normiert.
Sobald der tägliche Auslösewert überschritten wird, muss der Arbeitgeber erste Maßnahmen ergreifen, um die Vibrationsbelastung zu reduzieren. Belastungen oberhalb des Grenzwertes sind nicht zugelassen. Das heißt, der Mitarbeiter darf nicht weiterarbeiten, wenn der Grenzwert überschritten wird. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, herauszufinden, warum der Grenzwert überschritten wurde und soll in der Folge sicherstellen, dass dies nicht wieder geschieht.
Stärke der Schwingungen, m/s² | Täglicher Auslösewert: Wenn er erreicht wird, müssen technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, damit die Person weniger Schwingungen ausgesetzt wird |
Täglicher Expositionsgrenzwert: Sollte nie überschritten werden |
2,5 | 8 Stunden | > 24 Stunden |
5 | 2 Stunden | 8 Stunden |
10 | 30 Minuten | 2 Stunden |
15 | 13 Minuten | 53 Minuten |
20 | 8 Minuten | 30 Minuten |
Es sollte erwähnt werden, dass die von den Herstellern angegebenen Werte für die Stärke der Schwingungen nur Anhaltspunkte sind und sie immer unter den tatsächlichen Bedingungen der Anwendung gemessen werden sollten. Dies ist unter Umständen nicht immer möglich. In diesen Fällen sollten Sie den angegebenen Wert mit einem Sicherheitskoeffizienten multiplizieren und die ISO 5349 für weitere Informationen zur Messung der Vibrationsstufe heranziehen. Diese Norm befasst sich mit mechanischen Schwingungen, insbesondere der „Messung und Bewertung der Einwirkung von Schwingungen auf das Hand-Arm-System des Menschen“.
Ein Praxisbeispiel
Sehen wir uns an, wie es bei Stefan ist:
Nach der Richtlinie liegt der Auslösewert bei Vibrationen von 15 m/s² bei 13 Minuten. Da Stefans Werkzeug etwas schwächere Schwingungen hat, besteht kein übermäßiges Risiko. Der Grenzwert hat einen größeren Fehlerspielraum, daher würde er ihn nach etwa einer Stunde erreichen.
Wenn sich seine Situation allerdings ändern würde und Stefan mehr Schrauben pro Schicht lösen müsste, bestünde das Risiko, dass der Auslösewert überschritten wird. Der Arbeitgeber müsste dann Maßnahmen ergreifen, um den Wert zu verringern. Einige mögliche Beispiele für solche Maßnahmen:
- Die Übergabe zwischen den Schichten oder die Arbeitsprozesse so organisieren, dass sich die Arbeit besser verteilt und die am stärksten belasteten Arbeitnehmer weniger Schrauben lösen.
- Prüfen, ob das benutzte Werkzeug das ergonomischste in seiner Klasse ist – und gegebenenfalls ein besseres mit einem niedrigeren Vibrationspegel anschaffen.
- Das Werkzeug gegen ein leistungsstärkeres austauschen, das weniger lang betätigt werden muss.
- Die Konstruktion der zu montierenden Bauteile ändern, so dass weniger Schrauben zu bearbeiten sind.
Der Arbeitsschutz sollte in jedem Unternehmen an erster Stelle stehen, besonders, wenn das Personal Vibrationsbelastungen ausgesetzt ist. Stellen Sie Schutzkleidung und ordnungsgemäß instandgehaltene Werkzeuge bereit und halten Sie die Hände warm, um Verletzungen vorzubeugen.
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Hinweis: Dieser Artikel ist weder ein umfassendes Werk über das Kontrollieren der Exposition gegenüber Hand-Arm-Schwingungen noch ein rechtlicher Ratgeber, den Ihr Unternehmen nutzen kann, um den örtlich geltenden Vorschriften gerecht zu werden. Stattdessen gibt er Ihnen Hintergrundinformationen, um Ihnen zu helfen, besser zu verstehen, wie Sie mit einigen wichtigen Punkten umgehen können. Diese Informationen stellen keine Rechtsberatung bezüglich der konkreten Umstände in Ihrem Unternehmen dar. Bitte konsultieren Sie einen Rechtsanwalt, wenn Sie bei Ihrer Interpretation oder Umsetzung dieser Informationen oder bezüglich ihrer Richtigkeit beraten werden wollen. Zusammenfassend: Sie sollten sich auf dieses Dokument nicht als Rechtsberatung in irgendeinem rechtlichen Sinne stützen.